Namensgedächtnis – Warum wird es im Alter schlechter?

Eine einzelne Seerose

Du triffst eine Bekannte, aber ihr Name fällt dir beim besten Willen nicht mehr ein. Das kommt leider vor und mit zunehmendem Alter passiert das peinlicherweise immer häufiger. Warum ist das so? Und kann man etwas dagegen unternehmen? Hier findest du Tipps für ein besseres Namensgedächtnis.

Zuerst einmal zur Beruhigung: Sich an einen eigentlich bekannten Namen nicht mehr erinnern zu können, ist etwas ganz Normales. Wir erkennen häufig das Gesicht einer Person wieder, erinnern uns vielleicht sogar an Details, wo und zu welcher Gelegenheit wir diese Person das letzte Mal getroffen haben, aber der Name…?

Namen merken ist schwer

Das Problem ist, dass unser Gehirn assoziativ, also in Zusammenhängen denkt und erinnert. Es ist einfach für das Gehirn sich zu merken, dass wir einer bekannten Person das letzte Mal auf dem Fußballplatz begegnet sind, dass er eine Tochter hat, die etwa gleichalt ist wie unser Sohn, und dass sie rote Haare hat. Sein Name aber fällt uns partout nicht ein. Das Problem ist, ein Name ist meist völlig willkürlich, er könnte Liam, Luca oder Noah heissen, das Gehirn hat fast nie Anhalts- oder Verknüpfungspunkte (Reber, 2012).

Dazu kommt noch, dass wir sind oft nur einzelne Elemente aus einem vergangenen Ereignis zusammensetzen können. Wenn du dich z. B. daran erinnerst, was du bei der Einladung letzten Samstag zu Abend gegessen hast, kannst du dir wahrscheinlich vorstellen, wie du an einem Tisch sitzt und einen Teller mit Essen vor dir hast und wer alles noch am Tisch war. Aber an alle Details…? Dein Gehirn erzeugt kein so vollständiges Bild, wie es eine Videokamera tun würde. Es speichert auch kein vollständiges Bild des Abends, aber die Erinnerung an einen besonderen Aspekt des Abends kann andere Elemente hervorrufen und schliesslich ein (scheinbar) vollständiges Bild erzeugen. Dieser Assoziationsprozess ist nützlich, um die Lücken zu füllen; er kann aber auch unzuverlässig sein, was erklärt, warum Augenzeugenberichte überraschend fehleranfällig sind.

Eigentlich erinnern wir Namen besser als Gesichter

Es herrscht die weit verbreitete Ansicht, dass das Gedächtnis für Namen generell schlechter ist als das Gedächtnis für Gesichter. Diese Fehleinschätzung resultiert jedoch daraus, dass wir die Art des Stimulus (Gesichter vs. Namen) mit der Gedächtnisaufgabe (Erkennen vs. Abrufen) verwechseln. Wenn wir jemanden treffen, müssen wir das Gesicht nur mehr oder weniger passiv erkennen, den Namen jedoch aktiv erinnern. Wird das Gedächtnis für Gesichter und Namen im gleichen Rahmen getestet, finden wir sogar einen klaren Erinnerungs-Vorteil für Namen gegenüber Gesichtern. Burton, Jenkins und Robertson (2019) haben in eleganten Experimenten gezeigt, dass Versuchspersonen ihnen zuvor unbekannte Namen besser wiedererkennen konnten als zuvor unbekannte Gesichter.

Im Alter verschlechtert sich das Namensgedächtnis zuerst

Doch zurück zum Namensgedächtnis. Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass die Gedächtnisleistung schon nach dem 25. Lebensjahr leicht abnimmt. Das ist gar nicht so sehr eine Frage, ob wir etwa Namen nicht mehr abspeichern können, sondern unsere Konzentrationsspannen werden kürzer. Meistens, wenn wir etwa den Namen eines Schauspielers oder einer Schauspielerin nicht erinnern können, haben wir ihn auch nie bewusst eingespeichert. Mit zunehmendem Alter, so Reber, funktioniert das Gedächtnis bei den meisten von uns immer schlechter und beim Erinnern von Namen wird das relativ früh auffällig. Es gibt natürlich einige Tricks, das Problem zu überwinden, du solltest aber immer daran denken: Jede:r hat Schwierigkeiten, sich Namen zu merken. Wenn dir also ein Name nicht einfällt, muss dir das nicht peinlich sein. Und umgekehrt, wenn jemand deinen Namen nicht mehr weiss, nimm das nicht übel.

Zwei interessante Studien zum Namensgedächtnis

In einer Trainingsstudie (Milders, Deelman & Berg, 1998) wurden Patient:innen mit Gedächtnisstörungen Strategien beigebracht, um neue Namen besser zu lernen und die Namen bekannter Personen besser erinnern zu können. Um das Erlernen neuer Namen zu verbessern, wurden die Versuchspersonen ermutigt, dem Namen einer Person irgendeine Bedeutung zu geben, wobei keine explizite Verbindung zwischen dem Gesicht und dem Namen erforderlich war. Durch diese Trainingsstrategien verbesserte sich das Erlernen von Namen zu Gesichtern signifikant und diese Verbesserung blieb sechs Monate nach dem Training erhalten. Das Erinnern von Namen vertrauter Personen verbesserte sich aber nur unmittelbar nach dem Training, der Effekt war bei der Nachuntersuchung sechs Monate später nicht mehr nachweisbar.

Um den Einfluss von Namensarten und Alter auf das Erlernen neuer Namen zu klären, haben Fogler, James und Crandall (2010) 26 junge gesunde und 26 gesunde ältere Personen verglichen. Für zuvor unbekannte Zeichentrickfiguren wurden entweder optisch-beschreibende (z.B. Lengthy für eine Giraffe), psychologisch-beschreibende (z.B. Classy) und nicht-beschreibende (z.B. Sam) Eigennamen präsentiert und gemessen, welche Namensformen am besten gemerkt wurden. Ergebnis: Die visuell-deskriptiven Namen wurden besser gelernt als psychologisch- oder nicht-deskriptive Namen, die beide gleich gut oder schlecht gemerkt wurden. Besonders auffällig war der Vorteil für ältere Erwachsene, die optisch-deskriptive Namen genauso gut lernten wie junge Erwachsene, aber beim Lernen von psychologisch-beschreibenden und nicht-beschreibende Namen deutlich schlechter abschnitten als Jüngere.

Vier Tipps für ein besseres Namensgedächtnis (nach Hyman, 2000):

  1. Hör zu

Wenn du dir einen Namen einprägen willst, stell die Person in den Fokus deiner Aufmerksamkeit. Seh sie dir genau an, hör zu und stell Fragen. Das ist trivial, aber die Aufmerksamkeit zu fokussieren ist die Grundvoraussetzung.

  1. Wiederhole den Namen mehrfach

Bei neuen Bekanntschaften verwende den Namen während des Gesprächs so oft wie möglich. Sag nicht einfach: «Wo wohnen Sie?», sondern: «Wo wohnen Sie, Frau Müller?» oder: «Frau Müller, kennen Sie…»

  1. Verknüpfe den Namen mit auffälligen visuellen Eigenschaften

Das Gehirn erinnert sich besser an konkrete Bilder als an abstrakte Namen. Versuche ein auffälliges und gut zu merkendes Charakteristikum herauszufinden und verknüpfe das mit dem Namen. Am besten eignen sich unveränderliche äussere Merkmale, die dir spontan auffallen. Aber unbedingt den Namen gedanklich damit verknüpfen: «Frau Müller hat eine Hakennase», sonst weisst du später nur noch: «Das war die mit der Hakennase, wie hiess die nochmal?»

  1. Schummle

Bei wichtigen Namen: Schreib dir die Namen auf, zusammen mit den wichtigsten Fakten.

Und wenn alles nichts hilft, frag einfach höflich nochmal nach dem Namen. Die meisten Menschen respektieren das und interpretieren es als ernsthaftes Interesse an ihrer Person.

Quellen

Burton, A.M., Jenkins, R., Robertson, D.J. (2019) I recognise your name but I can’t remember your face: An advantage for names in recognition memory. Quarterly Journal of Experimental Psychology. 72: 1847-1854. doi:10.1177/1747021818813081Fogler, K., James, L.E. & Crandall, E.A. (2010). How name descriptiveness impacts proper name learning in young and older adults. Neuropsychol Dev Cogn B Aging Neuropsychol Cogn. 17:505-18. doi:10.1080/13825580903477245
Hyman, I. (2000) Remembering Names: Secrets of Memory Experts. Verfügbar unter: http://www.psychologytoday.com/blog/mental-mishaps/201003/remembering-names-secrets-memory-experts
Milders, M., Deelman, B. & Berg, I. (1998) Rehabilitation of memory for people's names. Memory. 6:21-36. doi:10.1080/741941597
Reber, P. (2012) As I Get Older, Why Does My Memory for Names Seem to Deteriorate? Scientific American Mind 23. doi:10.1038/scientificamericanmind1112-78
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