Covid-19 dominiert auch die Mikrobiom-Forschung

Die Anzahl an wissenschaftlichen Studien zum menschlichen Mikrobiom ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Gleichzeitig nimmt die Gesamtheit der Mikroorganismen in und auf dem Körper stetig ab. Der aktuelle Stand der Forschung zeigt Fortschritte bei der Identifizierung von Mikroben – und eine Gefahr für die Darmgesundheit durch die Corona-Pandemie.

Der Körper des Menschen wird von Billionen von Mikroorganismen bevölkert. Primär gehören dazu Bakterien, aber auch Pilze und Viren. Sie finden sich im Darm, auf der Haut, im Urogenitaltrakt sowie in Mund, Rachen und Nase. Als Gesamtheit bilden diese Mikroben das Mikrobiom mit einem Gewicht von etwa 1,5 Kilogramm.

 

Die mikrobielle Vielfalt schwindet

Die Zusammensetzung des Mikrobioms ist bei Individuen sehr unterschiedlich und wird unter anderem von Ernährung, Immunsystem und Medikamenten beeinflusst. Die mikrobielle Vielfalt baut sich im Laufe der Kindheit langsam auf – und kann auch wieder verloren gehen. Eine Fülle von Faktoren wirken sich auf das Mikrobiom positiv und negativ aus. Durch Antibiotika und intensive Hygiene etwa verringert sich die mikrobielle Vielfalt immer rascher (Finlay et al. 2020).

 

Bakterien machen gesund

Das Mikrobiom ist für unsere Gesundheit von massgeblicher Bedeutung. Das Ziel einer Mikrobe besteht darin, ein gemeinsames Überleben mit ihrem Wirt zu ermöglichen. Erkrankungen können Ursache einer Störung des Mikrobioms, aber auch selbst der Auslöser dafür sein. Einfluss bei der Entstehung, Prävention und Therapie von Krankheiten ist daher Gegenstand der aktuellen Mikrobiom-Forschung. Der Verlust mikrobieller Vielfalt korreliert mit steigenden Raten chronischer Krankheiten (Finley et al., 2020). Es werden etwa Adipositas, Diabetes, Asthma, entzündliche Darmerkrankungen, Immundefekte, Allergien, Tumore, aber auch Depressionen und Alzheimer im Zusammenhang mit der Darmgesundheit untersucht. Es häufen sich Nachweise, dass die Darm-Hirn-Mikrobiom-Achse, also die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn, an vielen neurologischen Krankheitsbildern und funktionellen Beschwerden beteiligt ist (De la Fuente, 2021).

Eine weitere interessante Studie belegt, dass sogenannte Akkermansia-Bakterien Fettleibigkeit und Stoffwechselerkrankungen verbessern können (Haywood et al., 2021). Die Darmflora hat demnach Einfluss darauf, wie viel Appetit ein Mensch hat und wie viele Kalorien er zu sich nimmt.

 

Auf der Suche nach dem «Core-Mikrobiom»

Die DNA-Analyse macht es inzwischen möglich, die Zusammensetzung des Mikrobioms eines Menschen konkret zu bestimmen. Viele Bakterien wurden sogar erst anhand ihrer DNA-Sequenzen entdeckt. Ziel der Forschung ist die Sequenzierung aller Genome der Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln. Gewisse Bakterienarten werden von vielen Menschen geteilt. Trotzdem konnte noch kein Kern-Microbiom identifiziert werden, das die Grundlage der Darmflora bildet. Die internationale Forschung hat jedoch grosses Interesse an dieser Theorie. Zudem wird vermutet, dass nicht nur die Mikrobenvielfalt Einfluss auf unsere Gesundheit hat, sondern insbesondere der Genreichtum. Etwa nimmt die genetische Diversität der Bakterienflora mit steigendem Body-Mass-Index ab (Aron-Wisnewsky et al., 2019).

Wichtiges zur Mikrobiom-Forschung

  • Die mikrobielle Vielfalt und der Genreichtum des Mikrobioms sind seit Jahren rückläufig.
  • Die rasante Weiterentwicklung der DNA-Sequenzierungsmethoden führen zu einem Aufschwung in der Mikrobiom-Forschung.
  • Die Corona-Pandemie verstärkt die negativen Einflüsse auf das Mikrobiom.

 

Neue Gefahr für das Mikrobiom

Aktuell beschäftigen sich Studien auch mit dem Zusammenhang zwischen Covid-19 und der Darmgesundheit. Es stellen sich zwei Fragen: Hängt das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, mit bestehenden Krankheiten, die mit einer Störung des Mikrobioms einhergehen, zusammen? Und wie beeinflussen die Hygiene- und Isolationsmassnahmen zur Bekämpfung der Pandemie das Mikrobiom? Beide Fragen wurden von der Wissenschaft beantwortet. Einerseits haben mit Covid-19 infizierte Personen häufig eine Störung des Darmmikrobioms (Finlay B. et al. 2020). Andererseits schwächen die Corona-Massnahmen auch bei nicht Infizierten das Mikrobiom, mit weitreichenden, ungleichmässigen und potenziell langfristigen Auswirkungen für Menschen auf der ganzen Welt (Finlay B. et al. 2020). Die Pandemie überschneidet sich also mit einem jahrzehntelangen Rückgang der mikrobiellen Vielfalt des Mikrobioms und verstärkt so den Trend.

 

Fazit

Die Erforschung des Mikrobioms kommt mit grossen Schritten voran. Doch gibt es Umwelteinflüsse und Tendenzen in der Gesellschaft, die eine Vielfalt des Mikrobioms reduzieren. Daher wird in Zukunft die Erforschung möglicher Therapieansätze immer wichtiger.

Quellen

Aron-Wisnewsky, J., Prifti, E., Belda, E. et al. (2019). Major microbiota dysbiosis in severe obesity: fate after bariatric surgery. Gut, 68(1), 70-82. doi:10.1136/gutjnl-2018-316103.
De la Fuente, M. (2021). The Role of the Microbiota-Gut-Brain Axis in the Health and Illness Condition: A Focus on Alzheimer's Disease. Journal of Alzheimer's Disease, Apr. 28, 1-16. doi:10.3233/JAD-201587.
Finlay, B. B., Amato, K. R., Azad, M. et al. (2020). The hygiene hypothesis during a pandemic: consequences for the human microbiome. PNAS, 118(6). doi:10.1073/pnas.2010217118.
Haywood, N. J., Luk, C., Bridge, K. I. et al. (2021). Endothelial IGF-1 receptor mediates crosstalk with the gut wall to regulate microbiota in obesity. EMBO reports, e50767. doi:10.15252/embr.202050767.
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