Milch –  gesund oder nicht? Was sagt die Wissenschaft?

Milch ist kein Getränk, sondern ein Nahrungsmittel und heute nicht unumstritten. Manche Menschen, wie die meisten Asiat:innen, vertragen gar keine Milch, weil ihnen das Milchzucker-(Laktose)-abbauende Enzym fehlt. Die meisten von uns haben damit keine Probleme – abgesehen von jedem Fünften Schweizer mit Laktose-Intoleranz. Allerdings gibt es immer mehr Menschen, die Kuhmilch für ein ungesundes oder sogar schädliches Lebensmittel halten.

In der Schweiz sinkt der Pro-Kopf-Konsum von Milchprodukten seit Jahren; 2017 waren es nur noch 51,8 kg pro Kopf und Jahr. (Imboden, 2019) Dieser Artikel stellt einige wissenschaftliche Studien vor, die sich mit der Frage beschäftigen, wie gesund ist Kuhmilch?

Inhaltsstoffe der Milch

Unverarbeitete Kuhmilch hat etwa 70 kcal pro 100 ml und enthält:

  • 4,7% Milchzucker (Laktose)
  • 3,8 bis 4,2% Fett (meist gesättigte Fettsäuren und die einfach ungesättigte Ölsäure)
  • 3,5% Protein (Kasein und Molkenproteine wie BLG),
  • 0,8% Mineralstoffe (Calcium, Kalium, Zink, Jod)
  • Vitamine (Vitamin A, einige B-Vitamine, wie Vitamin B12, Vitamin D).
  • Der Rest ist Wasser

Ist Milch gesund?

Schützt Milchkonsum das Gehirn?

Es gibt eine Reihe von Studien, die die Wirkung von regelmäßigem Milchgenuss auf die Gesundheit des Gehirns untersucht haben. Einige davon deuten auf eine Verbindung zwischen Milchkonsum und kognitiven Fähigkeiten hin, doch insgesamt sind die Ergebnisse widersprüchlich. In einer Metaanalyse, also einer gemeinsamen Auswertung von mehreren – in diesem Fall sieben – Studien fanden Lei Wu & Dali Sun. (2016), dass ein hoher Milchkonsum signifikant mit einem geringeren Risiko für kognitive Störungen verbunden ist. Danach ist Milch also gesund fürs Gehirn. Das gegenteilige Ergebnis erhielten sie jedoch bei Studien mit asiatischen Probanden, während die afrikanischen Populationen einen „mittleren, nicht signifikanten Trend“ zeigten.

Einen neuere Meta-Analyse (Lee et al., 2018) konnte dagegen keine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung finden, da in den Studien unterschiedliche Kriterien verwendet wurden (z. B. unterschiedliche Häufigkeit des Milchkonsums oder in der Menge des Milchkonsums). Diese Meta-Analyse ergab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Milchkonsum und kognitiven Beeinträchtigungen. Nach Ansicht der Autor:innen seien die vorhandenen Daten zu dürftig, um eine eindeutige Schlussfolgerung hinsichtlich der Auswirkungen von Milchkonsum auf die Kognition oder kognitive Beeinträchtigungen bei Erwachsenen zu ziehen.

Schützt Milchkonsum Herz und Kreislauf?

Das metabolische Syndrom kennst du sicher: Es ist die Zusammenfassung der fünf wichtigsten und bei uns häufigsten Stoffwechselproblemen: Bluthochdruck, Fettleibigkeit, erhöhte Blutfettwerte, erniedrigter HDL (high density lipoprotein) Cholesterin-Spiegel und erhöhter Blutzucker. Diese fünf Faktoren sind mit einem deutlich erhöhten Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen und Diabetes verbunden.

Schon in der Vergangenheit wiesen Studien darauf hin, dass Milchprodukte einen positiven Einfluss auf metabolische Abläufe nehmen könnten. Eine aktuelle Studie konnte nun zeigen, dass der tägliche Verzehr von Milchprodukten zu einer Abnahme von Bluthochdruck und Diabetes mellitus führt. In die Studie von Bhavadharini et al. (2020) wurden insgesamt wurden fast 113.000 Patient:innen (Alter: 35–70) aus 21 Ländern über 9 Jahre lang untersucht. Als Milchkonsum definierten die Wissenschaftler mindestens zwei Portionen Milchprodukte/Tag. Eine Portion Milchprodukt entsprach beispielsweise einem Glas Milch (244g), einem Becher Joghurt (244g), einer Scheibe Käse (15g) oder einem Teelöffel Butter (5g).

Wie die Autor:innen herausfanden, war ein hoher Konsum von Milchprodukten mit einer um durchschnittlich 24% niedrigeren Wahrscheinlichkeit für ein metabolisches Syndrom verbunden. Dieser Zusammenhang liess sich aber nur bei Teilnehmern feststellen, die überwiegend Vollmilch- (minus 28%) oder eine Kombination aus Voll- plus Magermilchprodukten (minus 11%) konsumierten. Bei ausschließlichem Verzehr von Magermilchprodukten war dieser Zusammenhang nicht mehr nachweisbar.

Die Wissenschaftler:innen schlussfolgerten aus den Ergebnissen der Studie, dass der Konsum von Vollmilchprodukten ein möglicher und billiger Weg zur Reduktion von metabolischem Syndrom, Bluthochdruck und Diabetes sein könnte.

Hilft Milch auch den Knochen?

Milch enthält 18 von 22 essenziellen Nährstoffen, die für die Knochenbildung besonders wichtig sind, wie Kalzium, Phosphor und Vitamin D. Deswegen wird Milch zur Vorbeugung gegen Osteoporose (Knochenschwund) empfohlen. Das jedoch wird durch eine große schwedische Studie in Frage gestellt. (Michaelsson et al., 2014). Der Milchkonsum hatte bei Männern keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Knochenbrüchen, bei Frauen, die viel Milch tranken, wurden sie sogar häufiger. Nur Käse und andere fermentierte Milchprodukte waren mit niedrigeren Raten an Knochenbrüchen verbunden – bei Frauen stärker als bei Männern. Für den gegenteiligen Effekt von Milch und fermentierten Milchprodukten machen Karl Michaëlsson und sein Team den Zucker D-Galactose verantwortlich. Dieser ist hauptsächlich in Milch, aber kaum noch in Joghurt und Käse vorhanden. Michaëlsson mahnt jedoch zur Vorsicht: Bevor Ernährungsempfehlungen geändert würden, müssten die Ergebnisse erst unabhängig wiederholt werden.

Welche Milch steht im Regal?

H-Milch (UHT-Milch) ist ultrahocherhitzt, d.h. sie wird einige Sekunden auf ca. 150 °C erhitzt. Dadurch ist sie ungeöffnet und ungekühlt etwa 3 bis 6 Monate haltbar. Sie verliert durch das Erhitzen und die längere Lagerung aber Vitamine.

Frischmilch „länger haltbar“ (ESL-Milch). Inzwischen die bei weitem häufigste Milch in den Regalen. Die in der Rohmilch enthaltenen Keime werden durch spezielle thermische und mechanische Verfahren reduziert. Dadurch verlängert sich die Haltbarkeit auf 25 bis 45 Tage. Das ist günstig für den Handel, weil die Milch länger im Regal stehen kann (ESL= Extended Shelf Life). Uns Verbrauchern bringt es keine Vorteile, wir kaufen eventuell „ältere“ Milch und nach dem Öffnen ist sie auch nicht länger haltbar als normale Milch. Durch die längere Lagerdauer vergrössern sich auch die Probleme, wie der Qualitätsverlust durch Sauerstoff- oder Lichteinwirkung.  Der Vitamingehalt dürfte über dem von H-Milch, aber unter dem von normaler, pasteurisierter Milch liegen.

Frischmilch pasteurisiert „traditionell hergestellt“. Sie wird 15 bis 30 Sekunden auf ca. 75 °C erhitzt. Die Haltbarkeit bei Kühlung beträgt etwa 8 bis 14 Tage. Der Vitamingehalt ist höher als bei den obigen Varianten, sinkt aber durch Lagerung und durch Aufbewahrung im Hellen (deshalb besser in dunklen Flaschen oder lichtundurchlässigen Verpackungen kaufen). Man geht davon aus, dass bei pasteurisierter Frischmilch am Ende der Haltbarkeit nur noch die Hälfte von der ursprünglich enthaltenen Folsäure vorhanden ist, bei ESL-Milch und H-Milch gar nichts mehr. (Gallmann, 2001)

Roh- oder Vorzugsmilch darf nur durch staatlich kontrollierte Milchbetriebe hergestellt werden, die besonderen Hygienevorschriften unterliegen. Sie wird sofort nach dem Melken gefiltert und auf 4 °C gekühlt, aber nicht homogenisiert, pasteurisiert oder anderweitig behandelt. Ihr Vitamingehalt dürfte am höchsten sein, aber sie ist nur selten zu bekommen und der Verzehr birgt potenzielle Gefahren. So können pathogene Mikroorganismen in Rohmilch vorkommen, weswegen Schwangeren, Kleinkindern und Menschen mit geschwächtem Immunsystem vom Konsum abgeraten wird. Aus Sicherheitsgründen geben die Erzeuger an, dass die Milch vor Verzehr erhitzt werden muss. Auch gekühlt ist sie nur wenige Tage haltbar.

Quellen

Bhavadharini et al. (2020): Association of dairy consumption with metabolic syndrome, hypertension and diabetes in 147 812 individuals from 21 countries. The British Medical Journal. doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmjdrc-2019-000826
Gallmann P. (2001) Vor- und Nachteile länger haltbarer Past-Milch (ESL-Milch). AgrarForschung 8:112-117.
Imboden P. (2019) Ist das neue Milchlabel reine Geldmacherei? https://www.srf.ch/news/schweiz/kritik-an-milchbranche-ist-das-neue-milchlabel-reine-geldmacherei
Lei Wu & Dali Sun. (2016). Meta-Analysis of Milk Consumption and the Risk of Cognitive Disorders. Nutrients 8: 824; https://doi.org/10.3390/nu8120824
Lee, J., Fu, Z., Chung, M. et al. (2018) Role of milk and dairy intake in cognitive function in older adults: a systematic review and meta-analysis. Nutr J 17, 82. https://doi.org/10.1186/s12937-018-0387-1
Michaëlsson K et al. (2014) Milk intake and risk of mortality and fractures in women and men: cohort studies. The British Medical Journal doi: https://doi.org/10.1136/bmj.g6015
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