Polyphasischer Schlaf – hält er seine Versprechen?

Polyphasischer schlaf

Mehr Leistung durch polyphasischen Schlaf?

Cristiano Ronaldo tut es. Er schläft am Tag in mehreren Phasen und optimiert dadurch Regeneration und Performance. Befürworter:innen dieser Methode behaupten sogar, mit zwei Stunden Schlaf auszukommen. Eine aktuelle Studie zeigt nun: Polyphasisch schlafen steigert nicht die Leistung, sondern schadet sogar der Gesundheit.

Der Mensch braucht Schlaf, um körperlich und geistig zu regenerieren und fit zu bleiben. Der «normale» Schlafrhythmus ist meist monophasisch, das heisst sechs bis acht Stunden Schlaf die Nacht am Stück. Leistungssportler wie der portugiesische Ronaldo schlafen zuweilen anders: alle fünf Stunden für exakt 90 Minuten. Der Schlafexperte Nick Littlehales hat für ihn ein Konzept erstellt, das seine Leistung auf ein höheres Niveau heben soll. Die Suche nach dem perfekten Schlaf beschäftigt auch die Wissenschaft. Aktuell macht ein Report Schlagzeilen, der mehrphasigen Schlaf aufgrund der Studienlage kritisch betrachtet.

Wer auf polyphasischen Schlaf setzt

Extremsportlerinnen und Extremsportler sowie Astronauten teilen ihren Schlaf zuweilen in mehrere Phasen auf. Schichtarbeitende, LKW-Fahrer:innen, Flugbegleiter:innen oder Sportsegler:innen müssen mehrphasig ruhen. Auch unsere Vorfahren haben in Etappen geschlafen, um tagsüber und nachts jagen und sich zwischendurch auszuruhen zu können. Babys schlafen mehrfach am Tag und auch ältere Menschen schlafen wieder vermehrt polyphasisch, wenn die Leistung nachlässt. Der englische Fussballclub Manchester United arbeitet ebenfalls mit Nick Littlehales zusammen, der 2018 das Buch «Sleep: Schlafen wie die Profis» veröffentlichte. Seiner Ansicht nach sei ein längerer Schlaf als 90 Minuten am Stück unnatürlich. Kurze Nickerchen zwischen den Trainingseinheiten würden eine bessere Erholung ermöglichen. Diese Methode sei jedoch nur für die Zeit vor den Spielen zu empfehlen, nicht als tägliche Routine.

Tipps von Ronaldos Schlafcoach

  • 35 Schlafzyklen pro Woche zu je 90 Minuten
  • Immer saubere Schlafbekleidung und täglich frische Bettwäsche
  • Ein abgedunkeltes, kühles Schlafzimmer
  • Allein schlafen und alle technischen Geräte ausschalten
  • Mit einem Partner: Fötus-Schlafposition auf der nicht-dominanten Seite (z. B. Rechtshänder auf der linken Seite)

Weniger schlafen, mehr Zeit haben

Beim polyphasischen Schlaf kann das Schlafpensum angeblich auf bis zu zwei Stunden täglich reduziert werden. Die Schlafintervalle sollen also auch ein Instrument zum Zeitmanagement sein. Doch es gibt beim polyphasischen Schlaf mehrere Modelle (Klösch et al., 2020). Nach Everyman soll eine dreistündige Hauptschlafphase und drei 20-minütige Powernaps über den Tag verteilt reichen. Die Gesamtdauer liegt also bei vier Stunden. Die Uberman-Methode verteilt den Schlaf auf sechs 20-minütige Nickerchen über 24 Stunden, der Dymaxion-Rhythmus auf vier Schlafphasen mit je 30 Minuten. Mit zwei Stunden Schlafdauer sind diese beiden polyphasischen Schlafmodelle die extremsten Varianten.

Mehrphasig schlafen in der Praxis

Ein Schlafzyklus besteht aus einer 30-minütigen Ein- und Leichtschlafphase, dem 30-minütigen Tiefenschlaf und 30 Minuten Traum- bzw. REM-Schlaf. Littlehales erklärt so seine 90-minütigen Intervalle, in denen der Körper alle Phasen des Schlafs durchlaufen kann (2018). Demnach sollte auch ein Mittagsschlaf entweder unter 30 Minuten bleiben oder 90 Minuten dauern, um nicht aus der Tiefschlafphase gerissen zu werden. Im Schlaf regenerieren Organe und Muskulatur, Immunsystem und Gedächtnis werden gestärkt. Schweizer Forscher:innen fanden sogar heraus, dass das Gehirn im Schlaf ohne Bewusstsein assoziativ Dinge lernen kann (Züst et al., 2019). Die Umstellungsphase auf polyphasischen Schlaf soll zwei bis drei Wochen dauern. Dann reagiert der Körper mit längeren und weitaus frühzeitigeren REM-Phasen. Schlafdichte und -stabilität sollen sich verbessert haben (Littlehales, 2018). Für die meisten Menschen dürfte das polyphasische Modell jedoch daran scheitern, dass der Beruf Schlafintervalle tagsüber nicht zulässt.

Chronischer Schlafmangel und Leistungsabfall

Es gibt keine Beweise für die positiven Wirkungen des mehrphasigen Schlafs (Weaver et al.,2021). Nach dem Report von Weaver et al. führe eine verringerte Gesamtschlafdauer zu akutem und chronischem Schlafmangel. Für eine positive Wirkung auf Stimmung, Leistung und Gedächtnis gäbe es keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Mehrphasige Zeitpläne verursachen nicht nur Schlafmangel, sondern vermindern Schlafeffizienz, führen zu Schlafunterbrechung und -fragmentierung, REM-Schlafmangel, Schlafträgheit und beeinflussen Körperfunktionen negativ, die auf einen Tag-Nacht-Wechsel ausgerichtet sind (Weaver et al.,2021). Eine verminderte Leistungsfähigkeit ist die Folge. Keine Studie zum polyphasischen Schlaf stütze die behauptete Erhöhung der Lebenserwartung, bemerken Weaver et al. Die National Sleep Foundation empfiehlt Erwachsenen sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht für eine optimale Gesundheit, wobei sechs bis zehn Stunden für manche Menschen angemessen sein können (Weaver et al., 2021).

Fazit

Es gibt keine kontrollierten Studien, die die behaupteten gesundheitlichen Vorteile des mehrphasigen Schlafes belegen. Auch ist das Modell im Alltag nur für wenige Menschen umzusetzen. Für Leistungssportler:innen mag der polyphasische Schlaf in bestimmten Phasen kurzzeitig sinnvoll sein.

Quellen

Klösch, G., Hauschild, P., Zeitlhofer, J. (2020). Strategien zur Optimierung der Wachheit. In: Ermüdung und Arbeitsfähigkeit. Springer, Berlin, Heidelberg. Doi:10.1007/978-3-662-59139-0_9.
Littlehales, N. (2018), Sleep – Schlafen wie die Profis, Albrecht Knaus Verlag.
Weaver, M. D., Sletten, T. L., Foster, R. G. (2021). Adverse impact of polyphasic sleep patterns in humans: Report of the National Sleep Foundation sleep timing and variability consensus panel. Sleep Health, S2352-7218 (21) 00030-9. doi:10.1016/j.sleh.2021.02.009.
Züst, M. A., Ruch, S., Wiest, R., Henke, K. (2019). Implicit Vocabulary Learning during Sleep Is Bound to Slow-Wave Peaks. Current Biology, 29(20), 3549. doi:10.1016/j.cub.2019.09.066.
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