Überraschende Studienergebnisse: Gehirn baut Mitte 20 ab

Reading a book with fruit

Von wegen 50 ist das neue 40 – unser Gehirn baut schon viel früher ab. Diese beunruhigenden Erkenntnisse brachte eine Studie hervor, welche Spielerinnen und Spielern eines bekannten Computerspiels analysierte. Schon ab einem Alter von 24 Jahren wird unser Gehirn langsamer.

Das Forschungsteam um Thompson, Blair und Henrey der Fraser University in Kanada wollte folgende Fragen untersuchen (2014):

  1. Nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit bei einer komplexen, realitätsnahen Aufgabe mit dem Alter ab?
  2. In welchem Alter beginnt diese Abnahme?
  3. Kann Erfahrung diese Abnahme ausgleichen?

Dazu verwendeten sie das populäre Computerpiel „Starcraft 2“, bei dem die Spielerinnen und Spieler – ähnlich wie bei Schach – Armeen kommandieren und sich gegenseitig attackieren. Während Schachspieler jedoch nacheinander ziehen und genug Zeit haben, die Züge genau zu überlegen, verläuft Starcraft 2 rasant, quasi „in Echtzeit“. Beide Parteien sind ständig gleichzeitig am Zug und sollen so viele Züge machen wie sie können. Dabei muss jeder seine Aufmerksamkeit permanent auf das Wesentliche konzentrieren, neue Situationen schnell bewerten und schnell reagieren. Die Studie umfasste 3305 Spieler:innen (davon nur 20 Frauen) im Alter zwischen 16 und 44 Jahren, die jeweils gegen jemanden mit ähnlicher Spielstärke spielten.

Computerspiel als Forschungsmethode

Ein derartiges Computerspiel ist ideal für diese Fragestellungen, denn das Spiel verlangt komplexe, realitätsähnliche Entscheidungen, stellt aber nur geringe motorische Anforderungen (Maus- und Tastaturbedienung). Das Forschungsteam konnte also relativ unverfälscht die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung im Gehirn messen. Praktischerweise liefern die Aufzeichnungen des Online-Spiel automatisch Daten, die problemlos zu speichern und auszuwerten sind.

Erschreckende Ergebnisse

Überraschenderweise fand das Forschungsteam, dass bereits ab einem jungen Alter die Reaktionsgeschwindigkeit deutlich messbar abnahm. «Jenseits eines Alters von etwa 24 Jahren zeigen die Spielenden einen Rückgang in einem Bereich der kognitiven Geschwindigkeit, der für die Leistung im Spiel wichtig ist», so der Erstautor Joseph Thompson. Dieser Rückgang ist selbst bei guten Spielern nachweisbar. Die Spielerinnen und Spieler können also insgesamt noch so gut sein – im Alter werden alle langsamer. Das lässt sich auch deutlich an den verschiedenen Starcraft-2-Ligen ablesen: Kaum ein Spieler in den beiden höchsten Spielklassen war über 35.

Schon früher mentaler Abbau

Thompson war nach eigenen Worten erstaunt, wie früh dieser Rückgang beginnt und wie gross der Effekt ist, bereits bei den Teilnehmenden über 30. Das mag überraschend und alarmierend erscheinen, so Thompson, aber im normalen Leben merken wir davon wenig. Wir passen uns an, ohne es zu merken. «So haben wir oft Ältere beobachtet, die auf höherem Level spielen, als aufgrund ihrer Reaktionsgeschwindigkeit zu erwarten wäre. Anscheinend kompensieren sie ihre längere Reaktionszeit, indem sie effizienter spielen und einfachere Strategien anwenden.»

Fazit der Studie

Unser Gehirn wird ab 24 Jahren zwar langsamer, Ältere können mit ihrer zunehmenden Erfahrung allerdings Strategien entwickeln, was ihre nachlassende Denkgeschwindigkeit zumindest teilweise ausgleicht.

Einschränkungen

Strenggenommen kann die Studie eigentlich nur Aussagen über das männliche Gehirn machen: Von den über 3300 Teilnehmenden waren nur 20 weiblich. Ausserdem muss man natürlich betonen, dass lediglich die Reaktionszeit gemessen wurde, also nur ein einziger Aspekt kognitiver Leistungsfähigkeit.

Die Gründe, warum die Reaktionsgeschwindigkeit abnimmt, waren nicht Inhalt der Studie. Dass der allgemeine kognitive Abbau aber schon in den 20er und 30er Jahren beginnt, hatte schon Salthouse (2009) in einem Artikel mit dem Titel «When does cognitive aging begin?» postuliert. Die vorliegende Studie mit Leistungsmessungen an Tausenden von Computerspielern liefert dazu genauere Daten.

Ausblick

Schon ab 24 Jahren wird unser Gehirn langsamer. Dies ist das überraschende und gleichzeitig beunruhigende Ergebnis dieser Studie. Gleichzeitig belegt die Untersuchung sehr eindrucksvoll, dass es durchaus sinnvoll ist, schon in jungen Jahren etwas fürs Gehirn zu tun und nicht erst, wenn im höheren Alter Ausfallserscheinungen wie Gedächtnisschwächen oder Konzentrationsschwierigkeiten bemerkbar werden. Computerspiele und Hirnjogging-Übungen helfen dabei nur bedingt, denn hier werden nur die jeweils benötigten Fähigkeiten trainiert. Für mehr geistige Fitness im Alter hilft nur eine Kombination aus gesunder Ernährung, regelmässiger Bewegung und abwechslungsreichen Herausforderungen (Hobbies, Spiele, soziale Kontakte).

Quellen

Salthouse TA. (2009). When does age-related cognitive decline begin? Neurobiol Aging 30: 507–514. doi:10.1016/j.neurobiolaging.2008.09.023
Thompson J.J., Blair M.R. & Henrey A.J. (2014). Over the Hill at 24: Persistent Age-Related Cognitive-Motor Decline in Reaction Times in an Ecologically Valid Video Game Task Begins in Early Adulthood. PLoS One, 9, e94215. doi:10.1371/journal.pone.0094215
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