Ist der Geschmacksverstärker Glutamat giftig oder harmlos?

Häufig liest man auf Fertiglebensmitteln den Hinweis: „Ohne Zusatz von Glutamat oder Geschmacksverstärkern“. Glutamat ist in der Öffentlichkeit umstritten, es soll angeblich Asthma, Kopfschmerzen und sogar Hirnschäden verursachen. Auf der anderen Seite ist es immer noch in vielen Lebensmitteln enthalten, und die meisten offiziellen Stellen halten es für unbedenklich. Dieser Artikel befasst sich mit Glutamat und seinen gesundheitlichen Auswirkungen, wobei beide Seiten Gehör finden.

Was ist Glutamat?

Glutamat ist besonders in der asiatischen Küche beliebt und ist auch bei uns ein gängiger Lebensmittelzusatzstoff mit der E-Nummer E621, der zur Geschmacksverstärkung verwendet wird. Glutamat verstärkt nämlich den herzhaften, fleischigen Umami-Geschmack von Lebensmitteln. Umami gilt als der fünfte Grundgeschmack, den unsere Zunge wahrnehmen kann – neben salzig, sauer, bitter und süss.

Chemisch ist mit Glutamat meist Mononatriumglutamat (MNG oder MSG), das Natriumsalz der Glutaminsäure gemeint. Die Glutaminsäure ist eine der am häufigsten in der Natur vorkommenden Aminosäuren, die der Körper sogar selbst herstellen kann. Glutaminsäure bzw. Glutamat erfüllen viele verschiedene Funktionen im Körper und sind in sehr vielen Lebensmitteln enthalten.

Zwischen der Glutaminsäure in Glutamat und der in natürlichen Lebensmitteln gibt es keinen chemischen Unterschied, allerdings kann die Glutaminsäure in Glutamat leichter aufgenommen werden, da sie nicht in grossen Eiweissmolekülen gebunden ist, die der Körper erst abbauen muss.

Glutamat – in der Asia-Küche und der Natur

Glutamat als Gewürz wird seit Alters her in der asiatischen Küche häufig verwendet. Hunderte Millionen Menschen in China, Japan, Thailand oder Vietnam würzen ein Leben lang täglich ihr Essen mit Glutamat bzw. den stark glutamathaltigen Soja-, Fisch- und Austern-Sossen. Können so viele Menschen irren?

Glutamat ist tatsächlich eine natürliche Substanz, die für den Geschmack vieler Lebensmittel eine wichtige Rolle spielt. Grössere Mengen an Glutamat finden sich vor allem in proteinreichen Lebensmitteln, wie, Fleisch, Fisch und Milchprodukten, besonders in Parmesan und Roquefort-Käse. Aber auch Gemüsesorten, wie Tomaten, Erbsen und Pilze, oder Walnüsse enthalten grössere Mengen Glutamat. Reich an Glutamat ist übrigens auch Muttermilch; sie enthält zehnmal mehr Glutamat als Kuhmilch. (Schöne, 2011)

Warum halten viele Glutamat für schädlich?

Glutamat fungiert als Botenstoff (Neurotransmitter) im Gehirn, und zwar ist es der wichtigste erregende Neurotransmitter. Das heisst, es aktiviert Nervenzellen ein Signal weiterzuleiten. (Es gibt auch hemmende Transmitter, wie z.B. GABA.)

Es wurde nun die Behauptung aufgestellt, dass die Aufnahme von Glutamat zu einem Überschuss dieses Botenstoffs im Gehirn und damit einer übermässigen Stimulation der Nervenzellen führe. Das geht auf eine Studie von 1969 zurück, in der festgestellt wurde, dass die Injektion hoher Dosen von Glutamat bei neugeborenen Mäusen schädliche neurologische Auswirkungen hat (Olney, 1969). Diese Angst vor Glutamat wurde seither in verschiedenen populären Büchern und Artikeln verbreitet und am Leben erhalten.

Es stimmt natürlich, dass eine erhöhte Menge an Glutamat im Gehirn Schaden anrichten kann und dass hohe Dosen von Glutamat den Glutamatspiegel im Blut erhöhen können. Allerdings dürfte das Glutamat in der Nahrung nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf das Gehirn haben, da das Molekül nicht die Schranke zwischen Blut und Gehirn überwinden kann (Hawkins, 2009).

So gibt es bis heute noch keine Studien oder Beweise, dass Glutamat bei normalem Verzehr neurotoxisch wirken kann.

Das China-Restaurant-Syndrom

Es wurde auch berichtet, dass der Verzehr von Glutamat unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Dazu gehören Kopfschmerzen, Muskelverspannungen, Taubheit, Kribbeln, Schwäche und Hautrötung. Das alles ist als „China-Restaurant-Syndrom“ bekannt geworden, weil es angeblich nach dem Besuch solcher Restaurants auftritt.

Als Schwellendosis, die Symptome hervorruft, wird allgemein etwa 3g pro Mahlzeit angegeben, was eine sehr hohe Dosis ist – sie entspricht etwa dem Sechsfachen der durchschnittlichen täglichen Aufnahme in den USA (US FDA, 2012).

Obwohl der Begriff «China-Restaurant-Syndrom» schon seit mehr als vier Jahrzehnten verwendet wird, gelang es bis heute nicht, das beschuldigte Glutamat als tatsächlichen Auslöser der Symptome zu identifizieren. Nicht einmal für die Existenz des China-Restaurant-Syndroms fanden sich eindeutige wissenschaftliche Beweise.

In einer kontrollierten klinischen Studie (Yang, 1997) bekamen Personen, die nach eigenen Angaben empfindlich auf Glutamat reagieren, entweder 5g Glutamat oder dieselbe Menge Placebo. Nur 36% der Teilnehmer berichteten über Symptome nach Glutamatverzehr, doch das war auch bei 25% derjenigen der Fall, die – ohne es zu wissen – Placebo bekommen hatten. Interessanterweise treten die Symptome des China-Restaurant-Syndroms überwiegend bei Amerikanern und Europäern auf. In Asien selbst ist Glutamat-Unverträglichkeit so gut wie unbekannt.

Auch die Behauptung, dass Glutamat bei anfälligen Personen Asthmaanfälle auslösen kann, wird nur durch eine kleine Studie mit 32 Personen gestützt. Mehrere andere ähnliche Studien finden jedoch keinen Zusammenhang zwischen Glutamat-Aufnahme und Asthma (Übersicht in: Niaz, Zaplatic & Spoor, 2018).

Auswirkungen auf Geschmack und Kalorienzufuhr

Glutamat im Essen scheint jedoch Auswirkungen auf das Sättigungsgefühl und die Kalorienaufnahme zu haben. Der Umami-Geschmack von Glutamat kann Rezeptoren auf der Zunge und im Verdauungstrakt stimulieren und so die Ausschüttung von appetitregulierenden Hormonen auslösen. Allerdings ist noch unklar, in welcher Richtung das wirkt.

Einerseits gibt es Hinweise darauf, dass Glutamat das Sättigungsgefühl fördert. Dadurch könnte sich die Kalorienzufuhr verringern, was die Gewichtsabnahme unterstützen würde. So zeigen Studien, dass Menschen, die mit Glutamat aromatisierte Suppen verzehren, bei den nachfolgenden Mahlzeiten weniger Kalorien zu sich nehmen.

Dagegen deuten andere Studien darauf hin, dass Glutamat die Kalorienaufnahme erhöht – und nicht verringert, weil es die Schmackhaftigkeit von Lebensmitteln erhöht. Das wäre natürlich mit Gewichtszunahme und Fettleibigkeit verbunden.

Die Studienergebnisse zu diesem Punkt sind allerdings schwach und uneinheitlich. Weitere klinische Studien sind nötig, bevor umfassende Aussagen über den Zusammenhang zwischen Glutamat und Fettleibigkeit oder Stoffwechselstörungen gemacht werden können. (Literaturangaben zu diesem Abschnitt in: Leech, 2018).

Für Menschen, die sich – z.B. wegen Bluthochdruck – natriumarm ernähren müssen, könnte es sogar vorteilhaft sein, Kochsalz durch Glutamat zu ersetzen. Denn Glutamat enthält nur etwa 12% Natrium, das ist weniger als ein Drittel des Natriumgehalts von Speisesalz (39%). (Wallace et al., 2019)

Fazit

In normalen Mengen ist Glutamat sehr wahrscheinlich unbedenklich und hat keine dramatischen Auswirkungen; Megadosen können natürlich Schaden anrichten. Wenn Du sensitiv auf Glutamat reagierst – oder es dir einbildest –, solltest Du es nicht essen; denn zwingend notwendig ist es nicht. Wenn Du jedoch keine Nebenwirkungen bemerkst, gibt es keinen zwingenden Grund, es zu meiden.

Denk aber daran, dass Glutamat oft in ernährungsphysiologisch minderwertigen, industriell verarbeiteten Lebensmitteln enthalten ist, die Du ohnehin vermeiden oder einschränken solltest. Wenn Du dich aber ausgewogen und vollwertig ernährst, musst Du dir wegen Glutamat keine Sorgen machen – auch wenn du ab und zu „zum Chinesen“ gehst.

Quellen

Hawkins RA. (2009) The blood-brain barrier and glutamate. Am J Clin Nutr, 90; doi: 10.3945/ajcn.2009.27462BB
Leech J. (2018) MSG (Monosodium Glutamate): Good or Bad? (abgerufen 06.10.2021) https://www.healthline.com/nutrition/msg-good-or-bad
Niaz K, Zaplatic E, Spoor J. (2018) Extensive use of monosodium glutamate: A threat to public health? EXCLI J, 17; doi: 10.17179/excli2018-1092
Olney JW. (1969) Brain lesions, obesity, and other disturbances in mice treated with monosodium glutamate. Science, 164; doi: 10.1126/science.164.3880.719
Schöne L. (2011) Die Mär vom ungesunden Teufelszeug Glutamat. Die Welt https://www.welt.de/gesundheit/article13707602/Die-Maer-vom-ungesunden-Teufelszeug-Glutamat.html
US Food and Drug Administration (2012) Questions and Answers on Monosodium glutamate (MSG). (abgerufen 06.10.2021) https://www.fda.gov/food/food-additives-petitions/questions-and-answers-monosodium-glutamate-msg
Wallace TC et al. (2019) Current Sodium Intakes in the United States and the Modeled Effects of Glutamate Incorporation into Select Savory Products. Nutrients; 11; doi: 10.3390/nu11112691
Yang WH et al. (1997) The monosodium glutamate symptom complex: Assessment in a double-blind, placebo-controlled, randomized study. J Allergy Clin Immunol, 99; doi: 10.1016/S0091-6749(97)80008-5
Zurück zur Übersicht