Was und wofür sind sekundäre Pflanzenstoffe?

sekundäre Pflanzenstoffe

Sekundäre Pflanzenstoffe (auch Phytochemikalien oder pflanzliche Sekundärmetabolite genannt) sind natürliche Verbindungen, die von Pflanzen produziert werden. Sie werden als «sekundär» bezeichnet, weil die Pflanzen sie nicht für ihr Wachstum oder den Energiestoffwechsel benötigen. Im Gegensatz zu den primären Pflanzenstoffen, wie Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten, finden sich Sekundärmetabolite in viel geringeren Mengen in der Pflanze.

Trotzdem sind die Sekundären Pflanzenstoffe für das Überleben der Pflanze sehr wichtig. Sie bilden sie als Schutz vor Schädlingen, Fressfeinden, UV-Licht und anderen Umwelteinflüssen. Außerdem sorgen sie für Farbe und Duft und dienen so zum Anlocken von Bestäubern oder samenverbreitenden Tieren. Für uns sind sekundäre Pflanzenstoffe nicht nur deswegen interessant, weil sie für Farbe, Geschmack und Aroma von Lebensmitteln verantwortlich sind, viele habe auch gesundheitsfördernde Wirkungen.

Da die meisten sekundären Pflanzenstoffe die Pflanzen gegen äußere Einflüsse schützen, finden sie sich vor allem in den Schalen, äußeren Schichten und Blättern von Obst und Gemüse, Nüssen, Hülsenfrüchten, Getreiden und Ölsaaten. Das ist der Grund, warum ungeschälte bzw. unbehandelte Lebensmittel (ungeschälte Äpfel oder Kartoffeln oder Vollkorngetreide) reicher an diesen Stoffen sind.

Nutzen für den Menschen

Schon seit Jahrtausenden und bis heute spielen Sekundäre Pflanzenstoffe eine ungemein wichtige Rolle für den Menschen:

  • Geschmacks- und Aromastoffe
    Das ist wahrscheinlich die älteste und häufigste „Anwendung“ und trifft wohl auf jedes Obst und Gemüse zu, aber auch auf Kräuter und Gewürze oder Hopfen.
  • Rausch- und Genussmittel
    Auch die Beweise über die Verwendung von Pflanzen zu Genuss- oder kultischen Zwecken reichen etwa 5000 Jahre zurück. Dazu gehören ein Großteil der von Menschen konsumierten Drogen, wie z.B. Kokain, Opiate, Atropin, und Genussmittel, wie Nikotin und Koffein, die zwei weltweit am häufigsten konsumierten psychoaktiven Substanzen.
  • Medizinisch wirksame Verbindungen
    Die Praxis der Behandlung von Krankheiten mit Heilpflanzen ist so alt wie die Zivilisation. Auch dafür sind die in den Pflanzen vorhandenen Sekundärmetaboliten verantwortlich, die oft bedeutende pharmakologische und biochemische Wirkungen haben. Etwa die Hälfte aller Arzneimittel, die in den 25 Jahren vor 2007 weltweit registriert wurden, sind Naturprodukte oder synthetischen Abwandlungen davon, vom Aspirin bis zu den Cholinesterase-Hemmern, die zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit verwendet werden.
  • Gesunde Ernährung
    Zu den Sekundären Pflanzenstoffen gehören auch die meisten Vitamine und Stoffe mit antioxidativen, entzündungshemmenden und anderen vorbeugenden Wirkungen. Eine Ernährung, die reich an Sekundären Pflanzenstoffen ist, kann so etlichen chronischen Erkrankungen entgegenwirken, wie: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Osteoporose und Asthma.

Wahrscheinlich hat der Mensch die Fähigkeit verloren, Vitamine und andere wichtige chemische Verbindungen selbst zu synthetisieren, weil diese Mikronährstoffe in unserer natürlichen Ernährung so allgegenwärtig sein sollten, dass es evolutiv vorteilhafter war, sie aus der Nahrung zu entnehmen, als sie selbst herzustellen Eine abwechslungsreiche Ernährung liefert im Durchschnitt täglich etwa 1,5g unterschiedliche sekundäre Pflanzenstoffe – es lohnt sich also, bei der Ernährung auf Vielfalt zu achten.

Typen, Quellen und Wirkungen sekundärer Pflanzenstoffe

Man kennt heute etwa 100.000 sekundäre Pflanzenstoffe, von denen einige Tausend in unseren Nahrungsmitteln enthalten sind. Die sekundären Pflanzenstoffe sind eine heterogene Gruppe unterschiedlichster chemischer Verbindungen.

Die vier größten und häufigsten Gruppen von Phytochemikalien sind:

  1. Polyphenole

Eine der größten Gruppen sind die Polyphenole. Wir nehmen über die Nahrung pro Tag durchschnittlich mehr als 1 g Polyphenole auf. Das ist etwa zehnmal mehr als alle anderen Klassen von sekundären Pflanzenstoffen und bekannten Antioxidantien in der Nahrung. Dazu gehören u.a.:

Flavonoide, wie Quercetin (Kapern, Tee, Zwiebel), Anthocyane (rote Früchte), Catechine, Epicatechin, EGCG (Tee, Schokolade, Weintrauben), Curcuminoide (Kurkuma), Resveratrol (Trauben, Wein, Heidelbeeren)

  1. Terpene

Die Gruppe der Terpene weist eine große Bandbreite der Genießbarkeit auf, von völlig essbar und gesund bis tödlich giftig. Genauso breit ist die Palette ihrer Wirkungen: Einige haben antimikrobielle Eigenschaften, andere sind Duft-, Aroma- und Geschmacksstoffe. Terpene sind in einer Vielzahl von Gewürzen und Lebensmitteln enthalten, die wesentliche Bestandteile unserer Ernährung sind, sowohl im Hinblick auf den Geschmack als auch auf eine gesunde Ernährung. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die Carotinoide, wobei β-Carotin vom Körper in Vitamin A umgewandelt werden kann.

Beispiele für Terpene: die Carotinoide (Süßkartoffel, Karotten, Kürbis, Grünkohl), Lutein (Mais, Eier, Grünkohl, Spinat, rote Paprika), Zeaxanthin (Mais, Eier, Grünkohl, Spinat, roter Paprika), Lycopin (Tomaten, Wassermelone, rosa Grapefruit), Astaxanthin (Lachs, Garnelen, Krill, Krabben). Saponine (Kichererbsen, Sojabohnen), Limonen (Schale von Zitrusfrüchten), Phytosterine (Samen und ihre Öle, Getreidekörner, Nüsse, Sprossen, Hülsenfrüchte), Ginkgolide und Bilobalide (Ginkgo biloba).

  1. Thiole

Thiole sind als Aromastoffe vor allem in Milch, Käse und einigen Gemüsen enthalten. Sie haben einen intensiven, lauch- (Zwiebeln, Lauch, Knoblauch) oder krautartigen (Brokkoli, Spargel, Rosenkohl, Blumenkohl) Geruch. Auch für die scharfen Komponenten von Meerrettich, Rettich und Senf oder für den ekelerregenden Gestank bei Fäulnisprozessen sind Thiole verantwortlich.

  1. Alkaloide

Die Alkaloide sind eine sehr vielfältige Gruppe von über 12.000 Verbindungen, die in über 20% der Pflanzenarten vorkommen. Sie dienen in erster Linie als Abschreckungsmittel und Gifte gegen Insekten und andere Pflanzenfresser. Für den Menschen sind sie hauptsächlich als Rausch- und Genussgifte und in der Medizin von Bedeutung

Pflanze, Extrakt oder Wirkstoff?

Es ist allgemein anerkannt, dass Phytochemikalien einen erheblichen Nutzen für den Menschen haben. Die Frage ist nun, ob es sinnvoller ist:

  1. die frische Pflanze zu konsumieren,
  2. einen Extrakt aus den jeweiligen Pflanzenteilen herzustellen, oder
  3. den Wirkstoff als Reinsubstanz zu isolieren bzw. chemisch nachzubauen?

Eine Schlüsseleigenschaft der sekundären Pflanzenstoffe ist, dass sie in der Pflanze meist in komplexen Mischungen vorkommen, die mehrere, unterschiedliche und sich teilweise auch ergänzende Funktionen erfüllen. Das ist in einer „Pille“ nur schwer nachzubilden.

Wenn man allerdings das Pflanzenmaterial nicht in genügender Menge zur Verfügung hat, oder wenn es – wie bspw. Ginkgo-Blätter – ungeniessbar oder sogar giftig ist, dann ist der Pflanzenextrakt die erste Wahl. Eine schonende Extraktion bietet die Möglichkeit, die erwünschten Wirkstoffe anzureichern und die unerwünschten zu entfernen.

Ein solcher Pflanzenextrakt in einem Nahrungsergänzungs- oder Arzneimittel konzentriert, hat meist eine deutlich stärkere Wirkung und ist sicherer und bequemer anzuwenden als die Ursprungspflanze. Allerdings könnten durch Überdosierung auch nachteilige Wirkungen auftreten.

Der chemische Nachbau wird dann angewandt, wenn genau bekannt ist, welche Verbindung den gewünschten Effekt auslöst und wenn es günstiger ist, den Wirkstoff zu synthetisieren als ihn aus der Pflanze zu isolieren. Das ist allerdings nicht immer der Fall. Außerdem kommt es vor, dass eine chemisch leicht veränderte Verbindung sogar besser ist als das Original. So hat die synthetische Acetyl-Salicylsäure (ASS, Aspirin) weniger Nebenwirkungen als die natürliche Salicylsäure aus der Weidenrinde.

Fazit:

Sekundäre Pflanzenstoffe – auch Phytochemikalien genann – sind chemische Verbindungen, die Pflanzen herstellen, obwohl sie nicht direkt lebensnotwendig für die Pflanze sind. Sie erfüllen aber wichtige Schutzfunktionen und haben auch für uns Menschen viele Vorteile – für unsere Gesundheit und für unser Wohlbefinden: Vitamine, Geschmacks- und Aromastoffe, Medikamente und Genussmittel gehören dazu.

Quellen

Kennedy DO & Wightman EL. (2011). Herbal Extracts and Phytochemicals: Plant Secondary Metabolites and the Enhancement of Human Brain Function. Adv Nutr; 2: 32–50. doi: 10.3945/an.110.000117
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