Die drei wichtigsten Mittel gegen Stress | Teil 1

Stressbewältigung

Es ist heute in der Forschung allgemein anerkannt, dass Stress das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Depressionen deutlich erhöht. Ausserdem ist Stress am Arbeitsplatz mit häufigerem Arbeitsplatzwechsel und geringerer Produktivität verbunden (Dijkstra & Homan, 2016).

Relativ neu ist jedoch die Erkenntnis, dass die Reaktion auf Stress wichtiger ist als seine Häufigkeit. Auch aus diesem Grund propagiert die Stressforschung heute, dass zur Stressbewältigung vor allem drei Schlüsselfaktoren wichtig sind: Ein gesundes Stressmanagement, regelmässige Bewegung und Achtsamkeit.

„Stress hat man nicht, man macht ihn sich.“ (Aba Assa, Essayistin)

Wie wir stressige Ereignisse wahrnehmen und darauf reagieren, das ist wichtiger für unsere Gesundheit als die Häufigkeit, mit der wir Stress ausgesetzt sind. Das fanden die US-amerikanischen Psychologen Nancy L. Sin und ihr Team (2016) heraus. Sie massen dazu die Herzfrequenzvariabilität, das ist die unterschiedliche Länge der Intervalle zwischen den Herzschlägen. «Eine höhere Herzfrequenzvariabilität ist besser für die Gesundheit, da sie die Fähigkeit widerspiegelt, auf Herausforderungen zu reagieren», so Sin, «Menschen mit einer geringeren Herzfrequenzvariabilität haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und für einen vorzeitigen Tod.»

Überraschenderweise fand das Forscherteam, dass Personen mit vielen stressigen Ereignissen in ihrem Leben, nicht unbedingt eine niedrigere Herzfrequenzvariabilität hatten. Vielmehr hatten diejenigen eine ungesund niedrige Herzfrequenzvariabilität, die Ereignisse als stressiger empfanden oder dabei mehr negative Emotionen erlebten. Und zwar ganz unabhängig von der Anzahl der stressigen Ereignisse.

Die Wahrnehmung von Stress ist wichtiger als der Stress selbst

Die Wahrnehmungen und emotionalen Reaktionen einer Person auf stressige Ereignisse sind also wichtiger als der Stressor selbst. Aus diesem Grund können sich auch viele kleine, eigentlich unwichtige Ärgernisse anhäufen und die Gesundheit negativ beeinflussen.

Die Stressforschung geht heute davon aus, dass eine erfolgreiche Stressbewältigung an 3 Punkten ansetzt:

  1. Die richtige Strategie zur Bewältigung von Stress bzw. zum Umgang mit Stressoren (Coping)
  2. Regelmässige körperliche Bewegung
  3. Achtsamkeits- und Entspannungsübungen

In der Arbeit von Moeller et al. (2020) wurde zum ersten Mal die Effektivität dieser drei Ansätze zur Stressbewältigung bei College-Studenten untersucht. Hier eine Zusammenfassung der Ergebnisse:

Stress und Stressmanagement (Coping)

Menschen können als Reaktion auf die vielen Stressoren im Leben die unterschiedlichsten Bewältigungsmethoden einsetzen, was in der Fachliteratur Coping genannt wird. Sie können sich z.B. mehr mit dem Problem auseinandersetzen oder mehr mit ihren Emotionen darauf, sie können die Stressoren meiden oder sie aktiv angehen usw..

Allgemein unterscheidet die Psychologie zwei prinzipiell unterschiedliche Coping-Methoden: Engagement-Coping und Disengagement-Coping. Beispiele für positive Bewältigung (Engagement-Coping) sind Problemlösung, Suche nach Unterstützung und positives Denken; Beispiele für negative Bewältigung (Disengagement-Coping) sind Vermeidung, Verleugnung und Wunschdenken.

Positive Bewältigung ist mit einem geringeren Risiko für Depression sowie mit einem besseren Selbstwertgefühl verbunden. Umgekehrt ist negative Bewältigung mit einem höheren Mass an wahrgenommenem Stress, Angst und Depression sowie mit geringerem Selbstwertgefühl verbunden. (Moeller et al., 2020)

Tipps und Hinweise zu diesem Punkt findest du im 2. Teil des Textes

Stress und körperliche Aktivität

Wie zahlreiche Forschungsarbeiten zeigen, kann körperliche Aktivität den wahrgenommenen Stress und die Angst davor verringern sowie die allgemeine Stimmung verbessern. Auch in der Arbeit von Moeller et al. (2020) war regelmässige körperlicher Aktivität mit weniger Depressionen und mehr Selbstwertgefühl verbunden. Das stimmt auch mit früheren Untersuchungen überein. So fanden VanKim & Nelson (2013) heraus, dass Studenten, die sich häufig und intensiv körperlich betätigten, seltener über eine schlechte psychische Gesundheit und wahrgenommenen Stress berichteten als Studenten, die weniger häufig trainierten.

Tipps und Hinweise zu diesem Punkt findest du im 2. Teil des Textes

Stress und Achtsamkeit (Mindfulness)

Gut erforscht ist auch die Rolle der Achtsamkeit bei der Bewältigung von Stress. Achtsamkeit (mindfulness) bedeutet zu lernen, sich seiner Erfahrungen in jedem Augenblick bewusst zu werden und sie ohne Verurteilung (mitfühlsam) zu beobachten (Kabat-Zinn, 2003). Ende der 1970er Jahre wurde in den USA die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR) entwickelt. Die MBSR soll durch gezielte Lenkung von Aufmerksamkeit und durch die „Entwicklung, Einübung und Stabilisierung von erweiterter Achtsamkeit“ Stress bewältigen helfen.

Die Wirkung der MBSR ist gut erforscht und die Zusammenhänge zwischen Achtsamkeit und positiven Ergebnissen (z. B. Verringerung von Stress und Angst) sind belegt (für eine Übersicht siehe Bamber und Schneider, 2016). Studien haben sogar gezeigt, dass schon kurze, einzelne Elemente von Standard-MBSR-Behandlungen ausreichen, um Angst und Stress signifikant zu vermindern. (Call, Miron und Orcutt, 2014)

Auch in der Studie von Moeller et al. (2020) war Achtsamkeit besonders deutlich und konsistent mit geringerem Stress, weniger Angst und Depression sowie höherem Selbstwertgefühl verbunden. Nach Ansicht der Autoren sollten Achtsamkeitsfähigkeiten auf jeden Fall zur Vorbeugung und Behandlung bei Stressproblemen gelehrt werden. Achtsamkeit im Alltag kann sicher helfen, Stress zu reduzieren. Achtsamkeit muss allerdings trainiert werden, und es braucht Zeit, bis das Training seine Wirkung entfaltet.

Tipps und Hinweise zu diesem Punkt findest du im 2. Teil des Textes

Fazit:

Es ist inzwischen durch viele Studien nachgewiesen, dass für eine erfolgreiche Stressbewältigung vor allem drei Säulen wichtig sind: Engaged-Coping, körperliche Bewegung und Achtsamkeit.

Quellen

Anastasiades MH, Kapoor S, Wootten J, Lamis DA. (2017). Perceived stress, depressive symptoms, and suicidal ideation in undergraduate women with varying levels of mindfulness. Arch. Women’s Ment. Health 20: 129–138. doi: 10.1007/s00737-016-0686-5
Bamber MD & Schneider JK. (2016). Mindfulness-based meditation to decrease stress and anxiety in college students: A narrative synthesis of the research. Educational Research Review. 18: 1-32. doi: 10.1016/j.edurev.2015.12.004
Call D, Miron L & Orcutt H. (2014). Effectiveness of Brief Mindfulness Techniques in Reducing Symptoms of Anxiety and Stress. Mindfulness 5: 658–668. doi: 10.1007/s12671-013-0218-6
Crum AJ, Jamieson JP, Akinola M. (2020). Optimizing stress: An integrated intervention for regulating stress responses. Emotion 20: 120–125. doi: 10.1037/emo0000670
Dijkstra M & Homan AC. (2016). Engaging in Rather than Disengaging from Stress: Effective Coping and Perceived Control. Front Psychol. 7: 1415. doi: 10.3389/fpsyg.2016.01415
Kabat-Zinn J. (2003). Mindfulness-based interventions in context: past, present, and future. Clin. Psychol. Sci. Pract. 10: 144–156. doi: 10.1093/clipsy.bpg016
Moeller RW., Seehuus M, Simonds J, Lorton E, Randle TS, Richter C, Peisch V. (2020). The Differential Role of Coping, Physical Activity, and Mindfulness in College Student Adjustment. Frontiers in Psychology 11: 1858. doi: 10.3389/fpsyg.2020.01858
Sin NL, Sloan RP, McKinley PS, Almeida DM. (2016). Linking daily stress processes and laboratory-based heart rate variability in a national sample of midlife and older adults. Psychosomatic Medicine 78: 573.
VanKim, NA & Nelson TF. (2013). Vigorous physical activity, mental health, perceived stress, and socializing among college students. Am. J. Health Promot. 28: 7–15. doi: 10.4278/ajhp.111101-QUAN-395
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