Zukunftstrend personalisierte Ernährung

Frau in einem von der Sonne beschienenen Raum, die an personalisierte Ernährung denkt.

Ein kleiner Pikser kann zu besserer Gesundheit führen. Bluttests werden von immer mehr Anbietern eingesetzt, um eine individuelle Ernährung zu gewährleisten. Ein Blick auf die Entwicklung der Ernährungsbranche zeigt, welche Methoden der Personalisierung es gibt und welche Chancen sie bieten.

Allgemeine Empfehlungen zu bestimmten Ernährungsweisen nach dem Motto «one size fits all» sind nicht mehr zeitgemäss. Der Trend geht zur personalisierten Ernährung nach individuellen Bedürfnissen, der Precision Nutrition (PN). Bei der Fülle von sich zum Teil widersprechenden Ernährungsstilen wie «low carb», «low fat» oder «vegan» ist die Verwirrung bei den Verbraucher:innen gross. Daher sind individuelle Angebote attraktiv, denn sie versprechen Klarheit über den Bedarf des eigenen Körpers und die dazu passende Ernährung. Auch der Markt für Nahrungsergänzungen boomt. Nur diejenigen Nährstoffe zu supplementieren, an denen es nachgewiesen im Blut fehlt, klingt also klug.

Nicht alle Angebote sind sinnvoll

Personalisierte Ernährung soll ein gesundes Ernährungsverhalten fördern. Dabei werden Ernährungsempfehlungen, Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel auf den individuellen Bedarf und das Essverhalten des Einzelnen zugeschnitten. Es gibt jedoch verschiedenste Methoden, eine Grundlage für mögliche Ernährungsempfehlungen zu erlangen: etwa Bluttests, Speichelproben, Stuhlproben oder Befragungen. Ende der 1990er Jahre wurde die Blutgruppendiät nach dem Naturheilforscher Peter J. D’Adamo populär. Die Bestimmung der Blutgruppe beruht auf der Annahme, dass Menschen je nach Blutgruppe unterschiedliche Lebensmittel vertragen. Es gibt aber bislang keine aussagekräftige wissenschaftliche Arbeit darüber, dass die Blutgruppendiät wirkt, wie eine Überblicksstudie zeigt (Cusack, De Buck, Compernolle & Vandekerckhove, 2013).

DNA-Analyse zur Behandlung von Übergewicht

Genetische Verfahren zur personalisierten Ernährung gelten als innovativer und vielversprechender Ansatz zur Prävention und Behandlung von Fettleibigkeit (Drabsch und Holzapfel, 2019). Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu genbasierten Empfehlungen sind jedoch begrenzt. Der Genotyp wird meist mittels Speichelprobe ermittelt. Die Gesellschaft für Humangenetik (GfH) schätzt die möglichen Gefahren einer Fehl- oder Überinterpretation derartiger Gentests für die Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings höher ein als den beworbenen Nutzen (GfH, 2011).

Eiweiss oder Kohlenhydrate: Was braucht der Körper?

Die Bestimmung von Stoffwechseltypen ist ein weiterer Ansatz zur personalisierten Ernährung. Beim sogenannten Metabolic-Typing werden hauptsächlich drei Stoffwechselmerkmale mit einbezogen: der Einfluss des Nervensystems, das Verbrennungstempo und der jeweilige Drüsentyp. Es wird davon ausgegangen, dass die Makronährstoffe unterschiedlich verstoffwechselt werden. Dementsprechend werden je nach Konzept verschiedene Lebensmittel, meist Kohlenhydrate und Eiweiss, als geeignet oder untauglich klassifiziert. Ergebnisse einer Studie zur Einbeziehung glykämischer Reaktionen legt nahe, dass personalisierte Diäten erhöhten Blutzucker und seine metabolische Wirkung erfolgreich beeinflussen können (Zeevi et al., 2015). Ob sich dieser Ansatz zum Gewichtsmanagement eignet, ist noch nicht eindeutig bewiesen.

Personalisierte Nahrungsergänzung

Der Ansatz, Unverträglichkeiten, Allergien oder Mangelerscheinungen für die personalisierte Ernährung zu bestimmen, ist vielversprechend. Besonders bei einem Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen ist eine individuelle Bestimmung mittels Bluttests wichtig. Wobei es auch beim gesunden Menschen Unterschiede beim Mikronährstoffbedarf gibt: etwa bei Sportlern, Schwangeren oder im Alter. Eine regelmässige Blutanalyse beim Arzt reicht meist nicht aus. Denn der Fokus liegt hier auf anderen Werten. Viele Mikronährstoffe werden nicht auf Kosten der Krankenkassen untersucht. Dabei gibt es zahlreiche Nährstoffe, von denen wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass sie einen erheblichen und dauerhaften Einfluss auf die Lebensqualität haben. Die Wissenschaft weist darauf hin, wie wichtig die personalisierte Nährstoffzufuhr in Zukunft für unser Mikrobiom und damit zur Regulierung des Körpergewichts sowie zur Vorbeugung von Krankheiten ist (Simon, Seel & Becks, 2020).

Start-ups bieten inzwischen innovative Methoden der Blutanalyse an. Dabei werden mittels eines Gerätes am Arm völlig schmerzfrei innerhalb von 10 Minuten per Knopfdruck die Mikronährstoffe bewertet. Ein Nahrungsergänzungsmittel mit der individuell optimalen Zusammensetzung kann daraufhin erstellt werden.

Auswirkungen auf das Ernährungsverhalten

Das Wissen über die Ernährung, die dem einzelnen guttut, ist ein Fortschritt. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Werden die Empfehlungen auch umgesetzt? Studien belegen: Personalisierte Ernährung kann zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führen (Ordovas, Ferguson, Tai & Mathers, 2018). Im Vergleich zu universellen Empfehlungen führt die Personalisierung dazu, dass Verbraucher:innen sich gesünder ernähren, einen gesünderen Lebensstil verfolgen und motivierter sind (Celis-Morales et al., 2017). Der psychische Effekt auf den Willen, sich gesünder zu ernähren, ist bei personalisierter Nahrung oder Nahrungsergänzung also nicht zu unterschätzen. In Bezug auf Adipositas ist jedoch zu bedenken, dass personalisierte Ernährung allein nicht ausreicht, da die Ursachen für Übergewicht in der Bevölkerung vielschichtig sind. Es müssen auch die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Aspekte berücksichtigt werden (Chatelan, Bochud & Frohlich, 2019).

Ein Blick in die Zukunft der Ernährung

Der technische Fortschritt wird auch unsere Ernährung bestimmen. Nahrungsergänzungsmittel persönlich auf uns zugeschnitten, Wearables mit Glukosesensoren, Massenspektrometer, die in wenigen Stunden tausende Genome scannen, smarte Toiletten, die Daten aus Stuhl oder Urin ans Handy senden – die Liste möglicher Ideen zur personalisierten Ernährung ist lang und bietet enorme Chancen. Bei dieser Entwicklung verschwimmt jedoch die Grenze zwischen Lebens- und Arzneimittel immer mehr. Das stellt eine Herausforderung für Firmen und Verbrauchende dar – auf Gesetzes-, Industrie-, Gesellschafts-, Inhaltstoff- sowie Produkt-Ebene (Bröring, Bidkar, Kamrath 2020). Bei Beschwerden und Erkrankungen sollte der Weg also immer erst zum Arzt führen. In der Prävention wird sich die personalisierte Ernährung jedoch immer stärker durchsetzen.

Wissen kurz & knapp

  • Precision Nutrition ist auf dem Vormarsch und bietet Chancen bei der Gesundheitsprävention.
  • Ernährung nach Blutgruppen hat keine nachweisbaren Vorteile. Eine Bestimmung des Nährstoffbedarfs im Blut ist jedoch ein vielversprechender Ansatz.
  • Eine individuelle Ernährung wirkt sich positiv auf Motivation und Akzeptanz der Massnahmen für einen gesünderen Lebensstil aus.
  • Die Schnittstelle zwischen Nahrungs- und Pharmaindustrie führt in Zukunft zu Herausforderungen.
  • Personalisierte Nahrungsergänzungen sind sinnvoll bei gesunden Menschen bzw. zur Prävention, dienen jedoch nicht zur Heilung.

Fazit

Der Trend zur personalisierten Ernährung wird sich fortsetzen. Verbraucher:innen sind jedoch aufgefordert, sich immer auch kritisch mit den Angeboten auseinanderzusetzen und bei bestehenden Beschwerden nicht nur Diagnosen aus dem Internet zu vertrauen.

Quellen

Bröring, S., Bidkar, S., Kamrath, C. (2020). Innovationen an der Schnittstelle von Lebens- und Arzneimitteln: Herausforderungen für Firmen und Verbraucher. Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen, 373-392. doi:10.1007/978-3-658-28643-9_22.
Celis-Morales, C., Livingstone, K. M., Marsaux, C. F. et al. (2017). Effect of personalized nutrition on health-related behaviour change: evidence from the Food4Me European randomized controlled trial. International Journal of Epidemiology, 46(2), 578-588. doi:10.1093/ije/dyw186.
Chatelan, A., Bochud, M., Frohlich, K. L. (2013). Precision nutrition: hype or hope for public health interventions to reduce obesity? International Journal of Epidemiology, 48(2), 332-342. doi:10.1093/ije/dyy274.
Cusack, L., De Buck, E., Compernolle, V., Vandekerckhove, P. (2013). Blood type diets lack supporting evidence: a systematic review. The American Journal of Clinical Nutrition, 98(1), 99-104. doi:10.3945/ajcn.113.058693.
Deutschen Gesellschaft für Humangenetik (GfH) (2011). Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik (GfH) zu „Direct-to-Consumer“ (DTC)-Gentests. Verfügbar unter: https://www.gfhev.de/de/veroeffentlichungen/s-2011_12_02_GfH-Stellungnahme_DTC-Gentests.pdf
Drabsch, T., Holzapfel, C. (2019). A Scientific Perspective of Personalised Gene-Based Dietary Recommendations for Weight Management. Nutrients, 11(3), 617. doi:10.3390/nu11030617.
Ordovas, J. M., Ferguson, L. R., Tai, E. S., Mathers, J. C. (2018). Personalised nutrition and health. The BMJ, 361. doi:10.1136/bmj.k2173.
Simon, M. C., Seel, W., Becks, S. (2020). Personalisierte Diät basierend auf dem Mikrobiom als Konzept der Zukunft?. Info Diabetologie, 14, 35-40. doi:10.1007/s15034-020-2182-2
Zeevi, D., Korem, T., Zmora, N. et al. (2015). Personalized Nutrition by Prediction of Glycemic Responses. Cell, 163(5), 1079-1094. doi:10.1016/j.cell.2015.11.001.
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